Berlin / Herne. [stbs] Am 01.02.2022 trat das „Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ in Kraft. Ziel des Gesetzes ist es, strafbare Inhalte in sozialen Netzwerken wie Volksverhetzung (§ 130 StGB), Bedrohungen (§ 241 StGB) und andere Formen der Hassrede effizienter zu verfolgen. Das Gesetz änderte zahlreiche gesetzliche Bestimmungen, unter anderem das Strafgesetzbuch (StGB), die Strafprozessordnung (StPO), das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), das Telemediengesetz (TMG) und das Grundgesetz (GG). Das Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität stellt einen bedeutenden Eingriff in die Freiheitsrechte der Nutzer sozialer Netzwerke dar, verfolgt jedoch das legitime Ziel der Strafverfolgung und des Schutzes der öffentlichen Sicherheit. Die Auseinandersetzungen um das NetzDG und seine Reformen verdeutlichen, dass die Rechtslage im Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Grundrechten stetig neu ausgelotet werden muss. Die weitere gerichtliche Klärung wird zeigen, ob die vorgenommenen Anpassungen der verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten.

Symbolbild; BKA

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VERPFLICHTUNGEN SOZIALER NETZWERKE NACH DEM NEUEN GESETZ

Unternehmen wie Meta Platforms, Inc. (Facebook, Instagram), Alphabet Inc. (YouTube, Google) und X Corp. (ehemals Twitter) sind gem. § 3a NetzDG verpflichtet, strafbare Inhalte zu melden und zu löschen. Neben der Entfernung müssen sie gem. § 3a Abs. 3 NetzDG relevante Daten, darunter IP-Adressen und im Einzelfall auch Passwörter, an das Bundeskriminalamt (BKA) übermitteln, um die Strafverfolgung zu ermöglichen.

Der Meldeweg betrifft Inhalte, die den Tatbestand schwerer Straftaten erfüllen, etwa Aufrufe zu Gewalt gegen Personen oder Gruppen. Der Schutz der öffentlichen Sicherheit wird hierdurch in den Vordergrund gestellt. Der Gesetzgeber begründet dies mit der Notwendigkeit, gegen den „erschütternden Anstieg rechtswidriger Inhalte“ entschieden vorzugehen (vgl.: BT-Drs. 19/17741).

RECHTLICHE AUSEINANDERSETZUNGEN

Meta Platforms und Alphabet Inc. erhoben gegen diese Regelungen Klage und beantragten eine einstweilige Anordnung beim Verwaltungsgericht Köln (VG Köln). Die Unternehmen argumentierten, dass die Meldepflicht einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) darstelle. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde jedoch abgelehnt, sodass die Unternehmen verpflichtet sind, bis zu einer Hauptsacheentscheidung den gesetzlichen Pflichten nachzukommen.

Das VG Köln stellte klar, dass die Vorschriften des NetzDG in ihrer derzeitigen Form voraussichtlich nicht gegen das Grundgesetz verstoßen (VG Köln, Az.: 6 L 127/22, Beschluss vom 12.05.2022).

DATENSCHUTZRECHTLICHE IMPLIKATIONEN UND KRITIK

Die Verpflichtung zur Weitergabe von IP-Adressen und Passwörtern hat datenschutzrechtliche Bedenken aufgeworfen. Kritiker bemängeln, dass die Speicherung und Weitergabe der Daten nicht mit den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Einklang steht. Insbesondere wird die Frage diskutiert, ob die Vorschriften den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit und Zweckbindung genügen.

Die Befugnis, Passwörter zu übermitteln, ist ein besonders umstrittener Punkt, gem. § 110 Abs. 3 StPO darf die Herausgabe eines Passworts nur bei Vorliegen eines besonders schweren Falles angeordnet werden. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in ständiger Rechtsprechung betont, dass Maßnahmen, die tief in die Privatsphäre eingreifen, einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzogen werden müssen (vgl.: BVerfG, Az.: 1 BvR 370/07, Urteil vom 27.02.2008).

LÖSCHEN UND MELDEN VON STRAFBAREN INHALTEN

Soziale Netzwerke sind nicht nur zur Meldung, sondern auch zur unverzüglichen Löschung strafbarer Inhalte verpflichtet (§ 1 Abs. 3 NetzDG). Gem. § 3 NetzDG kann ein Verstoß gegen diese Pflicht mit einem empfindlichen Bußgeld von bis zu 50 Mio. EUR geahndet werden. Diese Sanktionen sollen sicherstellen, dass Plattformen ihre Verantwortung für die Einhaltung des digitalen Rechts wahrnehmen.

VERFASSUNGSRECHTLICHE DISKUSSIONEN

Ein zentrales Problem der Gesetzesnovelle ist die Frage, ob eine zu umfassende Verpflichtung zur Datenweitergabe gegen das Prinzip der Datensparsamkeit gem. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 8 Abs. 1 EMRK verstößt. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Kontext betont, dass der Schutz vor staatlicher Überwachung eine elementare Voraussetzung für die freie Entfaltung der Persönlichkeit ist (BVerfG, Az.: 1 BvR 966/09, Beschluss vom 20.04.2016).

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