Berlin / Herne / Karlsruhe. [stbs] Darf sich ein Vermieter auf die unterschriebene Vollständigkeitsklausel berufen und Absprachen ignorieren? Die Streitfrage schaffte es bis zum BGH.

„Auch nicht vertraglich festgelegte Vereinbarungen können rechtswirksam sein.“

Wie passen die Formulierungen “mündliche Nebenabreden zu diesem Vertrag bestehen nicht“ und “… frisch renoviert wie abgesprochen” in einem Gewerbemietvertrag zusammen? Die Klägerin monierte unter anderem, dass der Vermieter (Beklagter) entgegen einer mündlichen Absprache die Fenster nicht mit einer zusätzlichen Verglasung ausgestattet habe.

Schließlich klärte die BGH-Rechtsprechung den scheinbaren Widerspruch zwischen Vollständigkeitsklausel und vor Vertragsabschluss individuell ausgehandelter Vereinbarungen wie folgt: Einer Vollständigkeitsklausel kann nicht entnommen werden, dass die Absprachen der Parteien aus dem Stadium der Vertragsverhandlungen keine Geltung mehr beanspruchen dürften.

Die sogenannten Vollständigkeitsklauseln bestätigen lediglich die Tatsache, dass der schriftliche Vertrag alle zwischen den Parteien vereinbarten Regelungen zum Vertragsgegenstand enthält, so der BGH in seinem Urteil. Das zuständige Gericht muss nun der Frage nachgehen, ob der Vermieter vor Vertragsabschluss zugesagt hatte, die einfachverglasten durch doppelverglaste Fenster auszutauschen.

Quelle: BGH, Az.: XII ZR 92/19, Urteil vom 03.03.2021