Berlin / Herne [stbs] Der Einsatz von (Klein)Gewerbetreibenden resp. kleinen Handwerkern (sog. Einmannbetrieben) auf Baustellen ist in der Baubranche weit verbreitet. Doch was viele Bauherrschaften nicht wissen: Sie können auch für die Scheinselbstständigkeit der auf ihrer Baustelle tätigen Personen haftbar gemacht werden. Die rechtlichen Konsequenzen können weitreichend sein, wenn die Sozialversicherungs- und Steuerbehörden eine Scheinselbstständigkeit feststellen. Diese Problematik birgt für Bauherren enorme finanzielle Risiken und haftungsrechtliche Gefahren, denen sie sich bewusst sein sollten.

Bauherren sind immer als Auftraggeber in der Verantwortung, wenn auf ihrer Baustelle Scheinselbstständige beschäftigt werden. Insbesondere dann, wenn sich herausstellt, dass die vermeintlich Selbstständigen in Wirklichkeit arbeitnehmerähnliche Tätigkeiten ausführen, ohne dass hierfür Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden. Dies führt zu erheblichen Haftungsrisiken.

Nach dem Sozialversicherungsrecht und dem Steuerrecht haftet der Auftraggeber in solchen Fällen für die nicht entrichteten Sozialabgaben und Steuern. Das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen gemäß § 266a StGB wird strafrechtlich geahndet und kann mit Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren geahndet werden. Zudem können die Bauherren persönlich in Regress genommen werden, falls die beteiligten Unternehmen oder Einzelpersonen zahlungsunfähig sind.

Neben der finanziellen Haftung drohen auch schwerwiegende Rechtsfolgen: Geschäftsführer und Verantwortliche auf Seiten des Bauherren können für das Unterlassen von Aufsichtsmaßnahmen gem. § 130 OWiG belangt werden, was zu hohen Bußgeldern führen kann. Zudem greift hier auch das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG): Wird eine als selbstständig deklarierte Person tatsächlich wie ein Arbeitnehmer behandelt, kann dies als illegale Arbeitnehmerüberlassung gewertet werden, was ebenfalls straf- und bußgeldrechtliche Konsequenzen nach sich zieht (§ 16 AÜG).

Auch der Reputationsschaden sollte nicht unterschätzt werden. Ein öffentlich gewordener Fall von Scheinselbstständigkeit (z. B. durch den Besuch des Zolls, Ordnungsamtes … auf der Baustelle) kann dem Ruf des Bauherren oder seines Unternehmens erheblich schaden, insbesondere in einem so stark auf Vertrauensverhältnissen basierenden Bereich wie der Bauwirtschaft.

Vorstände oder Geschäftsführer von Unternehmen, die sich wiederholt oder in schwerwiegender Weise der Scheinselbstständigkeit schuldig machen, müssen sogar mit einem Berufsverbot rechnen. Gemäß § 76 AktG und § 6 GmbHG kann ein solches Verbot für bis zu fünf Jahre verhängt werden. Dies bedeutet, dass sie während dieses Zeitraums keine führende Position in einem Unternehmen übernehmen dürfen. Für Bauherren, die in der Baubranche tätig sind, kann dies das Ende ihrer beruflichen Laufbahn bedeuten.

Die steuerlichen Konsequenzen eines solchen Verstoßes sind ebenfalls erheblich. Gemäß § 370 AO (Steuerhinterziehung) und § 378 AO (leichtfertige Steuerverkürzung) drohen Bußgelder oder strafrechtliche Sanktionen, wenn durch die Scheinselbstständigkeit Steuern verkürzt oder nicht korrekt abgeführt wurden. Hinzu kommen Rückzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen, die auch rückwirkend für mehrere Jahre verlangt werden können.

Anforderungen der Bauherren gegenüber den Unternehmern: Welche Unterlagen müssen eingefordert werden?

Um sich gegen diese Risiken zu schützen, müssen Bauherren aktiv werden und sicherstellen, dass alle auf ihrer Baustelle eingesetzten Arbeitskräfte ordnungsgemäß als selbstständig oder angestellt gemeldet sind. Dies beinhaltet die Einforderung folgender Unterlagen von den beauftragten Unternehmen:

  • Gewerbeanmeldung: Die Bestätigung, dass der Auftragnehmer tatsächlich ein selbstständiges Gewerbe führt.
  • Handwerksrolle: Nachweis der Handwerkskammer über den Eintrag des Unternehmens in die Handwerksrolle, wenn dieses ein Handwerk gemäß Anlage A der Handwerksordnung (zulassungspflichtiges Handwerk) als stehendes Gewerbe ausübt.
  • Freistellungsbescheinigung des Finanzamts: Dies zeigt, dass der Auftragnehmer für Bauleistungen steuerrechtlich korrekt agiert.
  • Sozialversicherungsmeldungen: Wenn der Auftragnehmer eigene Mitarbeiter hat, sollte der Bauherr Nachweise über die ordnungsgemäße Anmeldung zur Sozialversicherung verlangen.
  • Unbedenklichkeitsbescheinigung der Sozialversicherungsträger wie Kranken- und Pflegeversicherung, Unfallversicherung (Berufsgenossenschaften), Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung: Diese bescheinigen, dass der Auftragnehmer seinen Beitragspflichten zu den jeweiligen Sozialversicherungen nachkommt.
  • Nachweis über eigene Haftpflichtversicherungen: Der Auftragnehmer sollte eine Betriebshaftpflichtversicherung (Handwerk) resp. Berufshaftpflichtversicherung (Planer) nachweisen können.
  • Nachweis von mindestens einem sozialversicherungspflichtigem Mitarbeiter. Der „Einmannbetrieb“ sollte über sozialversicherungspflichtig beschäftigte Mitarbeiter verfügen (keine Minijobs).
  • Mitarbeiterliste: Liste der Namen aller am Bau tätig werdenden Mitarbeiter.
  • Selbstständigenstatus-Prüfung: In Zweifelsfällen kann eine Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) beantragt werden, um festzustellen, ob eine Selbstständigkeit tatsächlich vorliegt.

Bauherren sollten bei der Auswahl ihrer Auftragnehmer besonders sorgfältig vorgehen und nicht nur auf die Preisgestaltung schauen. Die Beschäftigung vermeintlich günstiger Arbeitskräfte kann sich langfristig als teuer erweisen, wenn diese als Scheinselbstständige eingestuft werden. Eine gründliche Prüfung der Vertragsverhältnisse, klare Regelungen zur Arbeitszeit und die Einforderung der richtigen Nachweise können Bauherren davor bewahren, für Scheinselbstständigkeit auf ihren Baustellen zur Verantwortung gezogen zu werden.

Die rechtlichen und finanziellen Risiken im Zusammenhang mit Scheinselbstständigkeit sind für Bauherren beträchtlich. Eine gründliche Prüfung und Einhaltung aller rechtlichen Vorgaben ist unerlässlich, um Bußgelder, strafrechtliche Verfolgung und Regressansprüche zu vermeiden. Bauherren sollten sich aktiv über ihre Verpflichtungen informieren und sich gegebenenfalls rechtlich beraten lassen, um auf der sicheren Seite zu sein. Tipp: Unbekannte Personen entfernen Sie unverzüglich von Ihrer Baustelle durch Ausübung Ihres Hausrechtes (obliegt einzig dem Grundstückseigentümer).