Berlin / Herne. [stbs] Das Anpassungsverlangen gem. § 59 Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW 2018) ermöglicht es den Bauaufsichtsbehörden, von Eigentümern die Anpassung bestehender baulicher Anlagen an aktuelle bauordnungsrechtliche Vorschriften zu verlangen. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn rechtmäßig errichtete Gebäude den aktuellen Anforderungen nicht mehr entsprechen und dadurch Gefahren für Leben und Gesundheit entstehen könnten.
RECHTLICHE GRUNDLAGEN
Gem. § 59 Abs. 1 BauO NRW 2018 kann die Bauaufsichtsbehörde verlangen, dass rechtmäßig bestehende Anlagen, die den aktuellen Vorschriften nicht entsprechen, angepasst werden, wenn dies zur Abwehr von Gefahren für Leben und Gesundheit erforderlich ist. Dieses Instrument dient dazu, den Schutz der öffentlichen Sicherheit zu gewährleisten, ohne den Bestandsschutz rechtmäßiger Gebäude unangemessen einzuschränken.
Der Bestandsschutz schützt bestehende bauliche Anlagen vor nachträglichen Anforderungen, die durch geänderte gesetzliche Vorschriften entstehen könnten. Allerdings findet dieser Schutz seine Grenzen, wenn von der Anlage konkrete Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen. In solchen Fällen kann ein Anpassungsverlangen gerechtfertigt sein, um notwendige Sicherheitsstandards zu gewährleisten.
VORAUSSETZUNGEN FÜR EIN ANPASSUNGSVERLANGEN
Ein Anpassungsverlangen setzt voraus, dass:
Rechtmäßiger Bestand
Die bauliche Anlage wurde ursprünglich rechtmäßig errichtet und genutzt.
Abweichung von aktuellen Vorschriften
Die Anlage entspricht nicht den aktuellen bauordnungsrechtlichen Vorschriften.
Gefahr für Leben und Gesundheit
Von der Anlage geht eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit aus, insbesondere für Leben und Gesundheit.
Die Bauaufsichtsbehörde muss im Einzelfall prüfen, ob diese Voraussetzungen vorliegen und ob ein Anpassungsverlangen verhältnismäßig ist. Dabei sind sowohl die Schwere der Gefahr als auch die Zumutbarkeit der geforderten Maßnahmen für den Eigentümer zu berücksichtigen.
RECHTSPRECHUNG ZUM ANPASSUNGSVERLANGEN IN NRW
Die Rechtsprechung in Nordrhein-Westfalen hat sich mehrfach mit der Thematik des Anpassungsverlangens auseinandergesetzt. Dabei wurden insbesondere folgende Aspekte hervorgehoben:
Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit
In einem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) vom 28.08.2001 (Az.: 10 A 3051/99) wurde betont, dass ein Anpassungsverlangen nur dann gerechtfertigt ist, wenn die geforderten Maßnahmen zur Abwehr konkreter Gefahren erforderlich und verhältnismäßig sind. Die Behörde muss sorgfältig prüfen, ob mildere Mittel zur Gefahrenabwehr zur Verfügung stehen.
Bestandsschutz und bauliche Änderungen
Das OVG NRW hat in seinem Urteil vom 27.01.2015 (Az.: 7 A 351/13) klargestellt, dass der Bestandsschutz bei wesentlichen baulichen Änderungen entfallen kann. Wenn durch bauliche Maßnahmen die Identität der ursprünglichen Anlage verändert wird, kann dies ein Anpassungsverlangen rechtfertigen.
Gefahrenabwehr bei Nutzungsänderungen
In Fällen von Nutzungsänderungen kann ein Anpassungsverlangen erforderlich sein, wenn die neue Nutzung zu erhöhten Gefahren führt. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf entschied am 06.10.2005 (Az.: 4 K 1851/05), dass stärkere Brandschutzvorkehrungen nicht allein deshalb verlangt werden können, weil sie als ratsam erscheinen; es muss eine konkrete Gefahr vorliegen.
PRAKTISCHE UMSETZUNG UND HERAUSFORDERUNGEN
In der Praxis stellt die Umsetzung von Anpassungsverlangen sowohl die Behörden als auch die Eigentümer vor Herausforderungen. Die Behörden müssen eine sorgfältige Gefahrenanalyse durchführen und die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen sicherstellen. Eigentümer hingegen sehen sich oft mit erheblichen finanziellen und baulichen Aufwendungen konfrontiert.
Es ist daher empfehlenswert, frühzeitig den Dialog zwischen Behörden und Eigentümern zu suchen, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten, die sowohl den Sicherheitsanforderungen gerecht werden als auch die Interessen der Eigentümer berücksichtigen.
Das Anpassungsverlangen gem. § 59 BauO NRW 2018 ist ein wichtiges Instrument zur Sicherstellung der öffentlichen Sicherheit bei bestehenden baulichen Anlagen. Die Rechtsprechung in Nordrhein-Westfalen betont die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit solcher Maßnahmen. Ein ausgewogenes Vorgehen, das sowohl die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit als auch die Eigentumsrechte der Betroffenen berücksichtigt, ist hierbei unerlässlich.