Berlin / Herne. [stbs] Die rechtlichen Anforderungen an bauliche Anlagen unterliegen einer ständigen Anpassung und Entwicklung. Dies betrifft insbesondere Nutzungsänderungen, die – auch ohne bauliche Veränderungen – eine neue Beurteilung der planungs- und bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit nach sich ziehen können.
Der Grundsatz lautet: Eine Nutzungsänderung ist immer dann baugenehmigungspflichtig, wenn an die geänderte Nutzung andere oder weitergehende öffentlich-rechtliche Anforderungen gestellt werden.
RECHTSLAGE ZUR GENEHMIGUNGSPFLICHT
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg führt in seinem Beschluss vom 16.11.2018 (Az.: OVG 2 S 48.18, openJur 2020, 41597) aus, dass gem. § 59 Abs. 1 Brandenburgische Bauordnung (BbgBO) eine Nutzungsänderung nur dann verfahrensfrei ist, wenn für die neue Nutzung keine anderen öffentlich-rechtlichen Anforderungen gelten als für die bisherige Nutzung. Dies ist beispielsweise in den §§ 64 und 65 BbgBO in Verbindung mit § 68 geregelt.
Eine ähnliche Regelung findet sich in § 62 Abs. 2 Nr. 1 der Bauordnung Nordrhein-Westfalen (BauO NRW 2018).
Die Genehmigungsfreistellung ist jedoch ausgeschlossen, wenn es sich um (auch sog. kleine) Sonderbauten gem. § 50 BauO NRW handelt. § 63 Abs. 1 BauO NRW stellt klar, dass die Genehmigungsfreistellung bei Sonderbauten weder für die Errichtung noch für die Änderung oder Nutzungsänderung gilt.
AUSWIRKUNGEN FEHLENDER GENEHMIGUNGEN
Wird eine Nutzungsänderung ohne die erforderliche Genehmigung vorgenommen, kann dies gravierende Folgen nach sich ziehen. Die Behörde ist befugt, eine Nutzungsuntersagung zu erlassen und gegebenenfalls die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes durch Verwaltungszwang durchzusetzen. Das OVG Berlin-Brandenburg weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die formelle Illegalität allein bereits ein behördliches Einschreiten rechtfertigt. Nur wenn ein genehmigungsfähiger Bauantrag vorliegt, kann eine Nutzungsuntersagung unverhältnismäßig sein (vgl.: OVG NRW, Az.: 2 A 1181/13, Beschluss vom 14.02.2014).
Versicherungsrechtliche Konsequenzen sind ebenfalls zu beachten: Eine ungenehmigte Nutzung kann dazu führen, dass Haftpflichtansprüche nicht von der Versicherung gedeckt werden. Verantwortliche Unternehmer oder Betreiber tragen in diesem Fall das Risiko, im Schadensfall haftbar gemacht zu werden.
PRAXISEMFEHLUNG
Angesichts der restriktiven rechtlichen Auslegung und der sich stetig ändernden Regelwerke – etwa Landesbauordnungen, technische Baubestimmungen oder Arbeitsstättenrichtlinien – ist eine sorgfältige Prüfung erforderlich. Es ist ratsam, bereits im Vorfeld über ein Genehmigungsverfahren klären zu lassen, ob eine Genehmigungsfreistellung möglich ist. Dies betrifft insbesondere Sonderbauten, die generell einer strengeren Prüfung unterliegen.
Die Rechtsprechung unterstreicht, dass eine langjährige Nutzung ohne erforderliche Genehmigung nicht ausreicht, um ein Bauwerk rechtlich zu legitimieren (vgl.: Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen, Az.: 6 L 1220/15, Beschluss vom 30.07.2015, openJur 2015, 16567). Daher sollten Bauherren, Betreiber und Eigentümer von gewerblichen oder sonstigen Objekten die Genehmigungspflichten sorgfältig beachten, um rechtliche und finanzielle Risiken zu vermeiden.
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Im Zweifel ist die Konsultation eines Fachanwalts für Bau- und Verwaltungsrecht dringend anzuraten.
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